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Di, 09:12 Uhr
25.07.2017
Studie der Bertelsmann Stiftung

Knapp ein Drittel der Wähler ist populistisch

Spätestens seit der Wahl von Donald Trump ist für viele Beobachter ein "Zeitalter des Populismus" angebrochen. Aber was ist Populismus und wie populistisch sind die Deutschen? Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat untersucht, wie populistisch die Wahlberechtigten in Deutschland eingestellt sind und welche Auswirkungen das auf ihr Wahlverhalten und den Parteienwettbewerb vor der Bundestagswahl 2017 hat...

Grafik (Foto: Bertelsmann-Stiftung) Grafik (Foto: Bertelsmann-Stiftung)

Radikal systemablehnende und anti-pluralistische Einstellungen sind in Deutschland nicht mehrheitsfähig. Zwar sind knapp 29,2 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland populistisch eingestellt. Doch die Mehrheit lehnt populistische Positionen ab (36,9 Prozent) oder stimmt ihnen nur teilweise zu (33,9 Prozent). Auffallend ist zudem, dass populistisch eingestellte Wähler in Deutschland eher moderate und keine radikalen Ansichten vertreten.

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Sie lehnen die Institutionen der Demokratie oder der EU nicht grundsätzlich ab, sondern kritisieren ihre Funktionsweisen. "Von einer 'Stunde der Populisten' ist das politische Klima vor der Bundestagswahl weit entfernt", sagt Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Das zeigt sich auch bei der Haltung der Wähler in Bezug auf einzelne Sachthemen: "Für die etablierten Parteien lohnt es sich nicht, im Wahlkampf populistischen Extrempositionen hinterherzulaufen", erläutert Robert Vehrkamp, Demokratieexperte der Bertelsmann Stiftung, der die Studie gemeinsam mit Christopher Wratil (Universität zu Köln) verfasst hat.

Für die Studie wurden in drei repräsentativen Umfragen zwischen 2015 und 2017 jeweils mehr als 1.600 Wahlberechtigte interviewt. Ihre Ergebnisse sind repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland.

Populistisch eingestellte Wähler gibt es zwar über alle Parteigrenzen hinweg. Es zeigt sich jedoch eine soziale Spaltung: Je geringer der formale Bildungsstand und je niedriger das Einkommen, desto weiter verbreitet sind populistische Einstellungen. Bei Personen, die maximal über einen Hauptschulabschluss und ein durchschnittliches Monatseinkommen unterhalb von 1.500 Euro verfügen, sind populistische Einstellungen am stärksten ausgeprägt. Aufgrund ihres sozialen Profils sind auch Nichtwähler häufiger populistisch eingestellt (36,4 Prozent) als Wähler (26,3 Prozent).

Je radikaler, desto geringer die Zustimmung

In ihrer Ausprägung bleiben die populistischen Einstellungen in Deutschland jedoch eher moderat. So befürworten mehr als zwei Drittel (69 Prozent) der populistisch eingestellten Wähler die Mitgliedschaft in der EU und 85 Prozent unterstützen die Demokratie als politisches System. Jedoch kritisieren über drei Viertel (79 Prozent) von ihnen, dass die EU-Integration zu weit gegangen sei und eine knappe Mehrheit (52 Prozent) ist mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland "eher nicht" oder "überhaupt nicht" zufrieden.

"Populisten in Deutschland sind häufig enttäuschte Demokraten, aber keine radikalen Feinde der Demokratie. Im Vergleich zu den USA und Frankreich zeigt sich vor allem, dass in Deutschland die Kritik am politischen Establishment deutlich schwächer ausgeprägt ist", so Vehrkamp.

Auch im Hinblick auf die Wählermobilisierung zeigt sich: Je zugespitzter und systemkritischer die Positionen zu Sachthemen sind, desto stärker sinkt die Zustimmung bei der Wählerschaft. Bei Wahlkampfthemen wie "Europa" oder "Globalisierung und Freihandel" zahlt sich eine Annäherung an radikal-populistische Positionen für die Parteien laut Studienautoren nicht aus. Die radikale Forderung nach einer "Entmachtung der Eliten" wirkt sich bei allen wahlberechtigten negativ auf die Wahlchancen aus (minus 12 Prozentpunkte). Systembejahende Positionen hingegen können die Zustimmungswerte hingegen steigen lassen. Mit pro-europäischen Positionen können Politiker bei allen Wahlberechtigten punkten (plus 19 Prozentpunkte)

Flüchtlingsthema mobilisiert Rechtspopulisten

Das Thema, das populistische Wähler in Deutschland derzeit am stärksten antreibt, ist die Flüchtlingspolitik: "Das Mobilisierungsprofil der stark populistisch eingestellten AfD-Wähler ist so einseitig fokussiert wie bei keiner anderen Partei", so Robert Vehrkamp. Mit Positionen, die sich klar zur Abschiebung von "sehr vielen Flüchtlingen" bekennen, lässt sich die Zustimmung bei AfD-Wählern deutlich steigern (plus 51 Prozentpunkte). Die Anhänger der anderen Parteien lassen sich durch flüchtlingsfeindliche Positionen jedoch nicht mobilisieren. Bei ihnen findet der Kurs einer moderaten und kontrollierten Einwanderung von Flüchtlingen die meiste Zustimmung.

Auch der Zusammenhang zwischen populistischen Einstellungen und Parteipräferenzen wurde in der Studie untersucht. Die Partei mit den unpopulistischsten Wählern ist die CDU. Sie erreicht bei den nicht-populistischen Wählern eine Zustimmung von bis zu 60 Prozent, aber nur weniger als 20 Prozent unter den Populisten. Die SPD ist laut Studie in beiden Lagern etwa gleich stark vertreten. Die Wählerschaft der AfD hingegen ist nach den Ergebnissen der Studie eindeutig rechtspopulistisch. Bei Wählern mit ausgeprägt rechtspopulistischer Verortung erzielt sie mit rund 60 Prozent ihre höchsten Zustimmungswerte.

Zusatzinformationen

Die Studie "Die Stunde der Populisten? Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern vor der Bundestagswahl 2017" basiert auf einer Online-Panel-Umfrage unter wahlberechtigten Deutschen. Für die Studie interviewte infratest dimap in drei Befragungswellen zwischen Juli 2015 und März 2017 jeweils mehr als 1.600 Wahlberechtigte zu ihren politischen Einstellungen. Die Umfrage ist repräsentativ für die deutsche wahlberechtigte Bevölkerung, die zum Zeitpunkt der Bundestagswahl 2013 wahlberechtigt war.

Als populistisch eingestellt gelten laut Studie Personen, die sich auf Grundlage eines Fragebogens vollständig zu insgesamt acht verschiedenen anti-pluralistischen, anti-Establishment- und pro-Volkssouveränität-Aussagen bekennen, mit denen Populismus empirisch gemessen wird.
Autor: red

Kommentare
tannhäuser
25.07.2017, 09.38 Uhr
Geliefert wie bestellt!
Kaum gibt es eine medienkritische Studie aus einer nicht merkelhörigen Richtung, muss Busenfreundin Liz Mohns Bertelsmann-Stiftung natürlich gleich mit Wähler- und AfD-Bashing reagieren.

Da wird sich Friede Springer sicherlich nicht lumpen lassen und in der Blöd bald "Tatsachenberichte" wie "Undercover bei verkappten Nazis - Die Wahrheit über Björn Höcke, Jörg Meuthen und Alexander Gauland" sowie "Mit Wutbürgen unterwegs - Deshalb wandern Thüringer nach Sachsen aus" nachlegen.
Kritiker2010
25.07.2017, 11.31 Uhr
Richtig populistisch zu wählen ist gar nicht so einfach!
Wen wähle ich als echter Populist, damit ich dem in Beton gegossenen und mit Negativanstrich versehenen Bild eines echten Populisten entsprechen kann?

AfD - Ich bin (angeblich) rechts und lehne alle anderen ab.
Grüne - Ich habe Müesli im Kopf und lehne alle anderen ab.
Linke - Ich bin links und lehne alle anderen ab.
Schwarz - Ich gehe brav in die Kirche und hoffe, dass der liebe Gott alle anderen bestraft.
Die Grauen - Ich lehne alle ab, die jünger sind als ich.
SPD - Ich prostituiere mich politisch und koaliere mit jedem, nur nicht mit der AfD.

Bin ich nun eher Populist, wenn ich denen Folge, die gegen den aktuellen politischen Schlingerkurs antreten oder bin ich Populist, wenn ich denen Folge, die behaupten recht zu haben, weil sie eben am Ruder sitzen und alle anderen Lügen strafen wollen?

Was mache ich nur? Das Leben als Populist ist aber auch schwer.
Leser X
25.07.2017, 12.48 Uhr
Der Populismus...
... ist doch nichts anderes als die Sehnsucht von großen Teilen des Volkes nach einer populären Politik. Einer Politik, die nicht wie bisher die Reichen reicher macht, massenweise neue Armut und Ungleichheit schafft sowie laufend neue Kriege produziert.

Da die Parteien der Nationalen Front das nicht hinkriegen, definieren sie kurzerhand den Populismus als ein Negativum und diskreditieren große Teile ihres Stimmviehs.

Jedwede Vision gegen das kränkelnde System wird damit ohne weitere Argumentation mal eben abgebügelt. Sehr komfortabel! Nur weiter so, Ihr werdet sehen, was Ihr davon habt.

Es lebe der Populismus!
Herr Taft
25.07.2017, 12.53 Uhr
Kritiker2010...
Sie haben den Begriff des Populismus nicht verstanden...
tannhäuser
25.07.2017, 15.28 Uhr
Populismus...
...ist von der Wortbedeutung ein positiver Begriff.

Wie dumm von den etablierten Parteien und Mainstreammedien, ihn negativ zu besetzen! Damit adeln sie die populistische AfD und ihre populistischen Anhänger.

Wobei...CSU und der Eurokrat, der Mutti absetzen will, bedienen sich auch bei den Ideen der Blauen.

Das würde man auch Populismus im Wahlkampf nennen, wäre aber dann zu viel der Ehre für diese beiden Randgruppen-Volksmeinungsverdreher.

Allerdings bin ich kein gewählter Berufskommentator. Sonst würde ich mir doch glatt einreden, als Populist hier Volkes Stimme und Meinung zu äussern...

Diesen Grössenwahn überlasse ich doch lieber den Herrschaften*Innnen mit Parteibuch.
Kritiker2010
25.07.2017, 19.36 Uhr
Lieber Spätzlevernichter,
leider haben Sie vergessen, mir die Ihrer Meinung nach korrekte Deutung des Begriffes zu erklären. Deshalb möchte ich meinen vorigen Kommentar gern ergänzen.

Warum meine ich nun, dass der Begriff "Populismus" ungeeignet ist, politische Richtungen, Standpunkte oder Parteien zu definieren? Bei Betrachtung der Definition aus dem Artikel und unter Hinzuziehung anderer schlauer Quellen, kommt man als pragmatisch denkender Mensch recht schnell zur Erkenntnis, dass die Kriterien, die diesen Begriff definieren, so dehnbar sind, wie Kaugummi.

In der Konsequenz können jede Partei und jedes Lager den Begriff für sich vereinnahmen oder gegen die jeweiligen politischen Gegner verwenden. Denn die Deutung der Kriterien hängt vom eigenen Standpunkt und dem Blick auf "die Anderen" ab. Jeder kann der Meinung sein, er wolle das Gute erhalten und das Schlechte beseitigen, würde die für ihn und die Gesellschaft relevanten Werte kennen und mehrheitsfähige Politik machen.

An diesem Begriff können und werden sich noch zahllose Philosophen abarbeiten, ohne je zu einem Ergebnis zu kommen.

Ich selbst sehe den Begriff nur als mediales Vehikel, dass demjenigen am meisten nutzt, der es als erstes für sich vereinnahmen kann/konnte.

Um den Begriff mit etwas mehr Sinn zu füllen würde ich eine andere Deutung vorschlagen: Wenn man mit Populismus populäre Politik bezeichnen würde, wäre dies ein alternativer Ausdruck für Demokratie. Denn was Populär ist, ist mehrheitsfähig und damit dem Grunde nach demokratisch. Damit wären Populisten also Demokraten. :o)
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