eic kyf msh nnz uhz tv nt
Di, 08:30 Uhr
28.03.2017
NORWEGEN SCHALTETE UKW AUS

Wir haben getestet – DAB +

Fanatiker unter den Einwohnern halten ihre jeweilige Heimatstadt für den Nabel der Welt. Für DAB und Nordhausen ist das sicher richtig. Nach München und Putgarden sind es etwas mehr als 500 km, ins Ruhrgebiet und an die polnische Grenze etwa 300 km mit dem Auto. Was liegt also näher, als Nordhausen zum Test-Ausgangspunkt für das „neue Radio“ zu machen. Jürgen Wiethoff mit seinem Bericht...


Bereits 1994 bis 1996 konnte ich mit einem Dienstwagen, mit einem damals neuen Blaupunkt-Radio ausgerüstet, DAB (damals noch ohne +) hören. Ich bewegte mich damit hauptsächlich in Niedersachsen, Nord-West-Thüringen und Nord-Hessen. Wenn man sich viele Jahre mit der Sende- und Empfangstechnik im sogenannten VHF(very high frequencies oder auch „Verdammt Hohe Frequenzen“)-Bereich beschäftigt hat, bekommt man ein Gefühl dafür, wie weit ein Sender, dessen Standort, Bandbreite und Leistung man kennt, das Gelände „ausleuchtet“. Man kann den jeweiligen Funkverkehrsbereich auch errechnen, doch dafür gilt: Grau ist alle Theorie.

Anzeige symplr
Mit diesen Erkenntnissen ausgerüstet, testete ich bei jeder Gelegenheit die damaligen DAB-Sender und war begeistert. Dort, wo sie theoretisch zu empfangen sein mussten, wurden sie auch empfangen und zwar ohne Rauscheinbrüche und Phasenverzerrungen. Manchmal war mobiler Empfang auch an eigentlich „unmöglichen“ Standorten (im sogenannten Funkeinflussbereich) gewährleistet. In DAB sah ich, bei richtiger Planung der Senderstandorte, schon damals die Zukunft des, zumindest mobil zu empfangenden, Rundfunks.

Als der Streit zwischen den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten über die Einführung welches digitalen Betriebssystems wo und wann ausbrach und die kläglichen Versuche in Berlin mit DVB-T-Radio zu beobachteten waren, verlor ich einige Zeit das persönliche Interesse. Utopische Vorstellungen über die Abschaltung von UKW-Radio taten ebenso ihr übriges, wie haarsträubende Ausführungen einiger öffentlich-rechtlicher Techniker bei telefonischen Anfragen zu Empfangsproblemen, als sich zaghaft wieder etwas regte beim DAB-Ausbau.

Seit 2010 habe ich dann wieder getestet. Mit unterschiedlichen Geräten und dem vor allem Computernutzern sicher bekannten USB-Stick, dem fast Alleskönner für digitalen Rundfunkempfang für etwa 20 Euro. Die gute Nachricht zuerst: Jedes getestete Gerät erlaubt den Anschluss an die Stereo-Anlage mit herkömmlichen Adapterkabeln und mit meist schwieriger beschaffbaren geeigneten Adapterkabeln auch ans gute, alte Dampfradio. Einen gigantischen Haufen Elektronikschrott wird es durch die Umstellung auf DAB+ nicht geben. Auch gibt es Geräte in Taschenradiogröße, die es ermöglichen, empfangene DAB+-Sender im bisherigen UKW-Bereich wieder auszusenden, was auch jedes Autoradio in ein Digital-Radio verwandelt.

Zu den vielfach vor allem im Versandhandel angebotenen FM-Transmittern, mit denen man jede NF-Quelle, also z.B. Computer, Internet-Radios, SAT-Receiver auf den UKW-Bereich umsetzen kann, muss man die Entwicklung in den nächsten Monaten abwarten. Einige Serien dieser Geräte in Textmarker-Größe sind durch Störstrahlung in Verruf gekommen.

Der mdr hat zurzeit wohl das bestorganisierte DAB-Netz. 3 Länder, 3 Kanäle, jeweils etwa 9 Programme, durch Unterschiede in der regionalen Aufteilung bei mdr 1. Dazu kommen bei Sachsen-Anhalt noch 8 Privatsender auf leider noch unterschiedlichen Kanälen. Dazu kommt auch ein relativ gut ausgebautes Netz mit dem deutschlandweit geplanten Kanal 5c. Das ist allerdings erst seit Anfang 2015 so. Davor waren die Versorgungsgebiete der Sender wesentlich kleiner und die Kanalbelegung mit den gleichen Programmen unterschiedlich.

Durch Nordthüringen fährt man heute mit DAB recht entspannt Auto. Sachsen-Anhalt (Kanal 6b), deutschlandweit (Kanal 5c) und die S-A-Privatsender auf Kanal 11c sind ohne Abstriche zu empfangen. Thüringen (Kanal 8b) funktioniert seit 10.12. 2015 ebenfalls sehr gut. Dafür sorgen nun jeweils 10 kW Strahlungsleistung auf dem Kulpenberg.

Auf Tour in Deutschland:

1. nach Süden ging es von 2010 bis 2014 mehrfach. Teilweise mit PKW und gemietetem Wohnmobil. Ab bayrischer Grenze hat man sowohl bis Passau als auch München und auch bis etwa 30 km in Österreichs Grenzgebiet stets DAB+-Empfang, wenn man auch häufig scannen musste, da bis 2013 Gleichkanal bei den Bouquets noch ein Fremdwort war. Inzwischen hat sich auch da laut Liste (http://www.ukwtv.de/cms/deutschland-dab/bayern-dab.html) einiges verbessert. Testen konnte ich es noch nicht. Seit Mitte Dezember 2015 hat man auch durchgehend Empfang des Thüringen-Bouquets auf Kanal 8b bis hinter die bayrische Landesgrenze.

2. nach Osten kommt man mit den Bouquets auf Kanal 5c sowie Sachsen-Anhalt (6b) und Sachsen (9a) seit Ende Januar 2015 zu gutem Empfang bis zur tschechischen Grenze. Auf der A9 in Richtung bayrische Landesgrenze geht das auch alles sehr gut, auch mit dem thüringischen Bouquet auf Kanal 8b.

3. nach Westen muss man etwa ab Göttingen mit Kanal 5c zufrieden sein. Alles andere in Richtung NRW und Nordhessen ist Stückwerk und für mobiles Radio vollkommen unbefriedigend. Südhessen und Rheinland-Pfalz sollen besser versorgt sein. Eigene Erfahrungen liegen nicht vor.

4. nach Norden konnte man die DAB-Ausrüstung getrost vergessen. Bis 2015 bin ich etliche Male die A7 bis Flensburg, A1 bis Ende und weiter nach Puttgarden und so ein bisschen rechts und links der BAB unterwegs gewesen. Es gibt Insellösungen um Göttingen, Hannover und Hamburg für den NDR, alle auf unterschiedlichen Kanälen mit teilweise unerwartet geringem Funkverkehrsbereich. Der immer wieder auf den entsprechenden Homepage angepriesene durchgehende Kanal 5c-Empfang entlang der A 7 beruhte nach meinen Erfahrungen auf Wunschvorstellungen der Betreiber. Allerdings änderte sich das am 07.10.2015, also nach der Inbetriebnahme des Senders Visselhövede. Zuletzt getestet am 9. und 10.07.2016 kann man von Nordhausen über Seesen auf die A7 bis kurz vor Ende der A1 vor der Fehmarnsundbrücke Kanal 5c durchgehend empfangen.

5. nach Nordosten fährt man auch besser ohne DAB-Ausrüstung. Hat man den Raum um Magdeburg verlassen, ist man auch von DAB weitgehend verlassen. Nur in und um Berlin sind außer Kanal 5c 2 weitere Kanäle, mit öffentlich-rechtlichen Sendern aus vielen Bundesländern und auch einigen privaten Sendern mobil zu empfangen. Abstriche zu der erwarteten Reichweite muss man machen, da die Berliner Sender zum großen Teil noch horizontal polarisiert sind. Ob man da, was ja eigentlich auch vernünftig gewesen wäre, noch die alten Band III-Fernsehantennen nutzt, weiß ich nicht.

Ortsfest

Als die letzten analogen Band III-TV-Sender außer Betrieb gingen, wurde die Antenne auf dem Dach demontiert und der Strahler (Faltdipol) vertikal unter das Dach, gedeckt mit Preolith-Schindeln, gehängt. Der Antennenverstärker (Baujahr 1973) tut nach wie vor seine Dienste und leitet alles, was er noch so verstärken kann (UKW, DVB-T, DAB), auf eine Ringleitung. Damit können jeweils von Inbetriebnahme der 1. Sender der deutschlandweit geplante Kanal 5c, sowie die Sender der 3 mdr-Ketten empfangen werden. Mit Jahresbeginn 2015 wurden diese Ketten auf Gleichkanal umgestellt und erweitert, was die Pegel verbesserte.

Solange die Kulpenberg-Sender noch kleinere Leistungen abstrahlten, bzw. nicht in Betrieb waren, konnte ich bei nur leicht angehobenen Bedingungen dann noch die hr-Sender (Kanal 7b) nicht nur nachweisen, sondern auch gut hören. Mit Antenne über dem Dach (kurzer Test bei normalen Bedingungen) ging das immer. Seit jedoch 30 kW ERP den Eingang des Antennenverstärkers bei optischer Sicht erfreuen, ist es damit natürlich vorbei.

Kommentare

Die etwas älteren Fußballfans unter den Lesern werden sich an Adi Preißler und seinen oft zitierten Spruch „Grau is alle Theorie – entscheidend is auf'm Platz.“ erinnern. Das gilt ganz verschärft auch für „das neue Digitalradio“ DAB. Im Süden Deutschlands seit einiger Zeit geliebt, im Norden eher verschmäht, ein bisschen beargwöhnt.. Sei es, wie es sei. Messwerte hin oder her. Diese sind dem Standardradiohörer ohnehin egal.

Der 2. Start von DAB in Deutschland stellt mehr Fragen, als er beantwortet. Sicher ist Kanal 5c ein Schritt in die richtige Richtung und für die Programme des Deutschlandfunks eine sehr gute Alternative zur Mittelwelle. Die anderen Programme auf diesem Kanal sind – ohne irgendeinem Verantwortlichen dafür zu nahe treten zu wollen – der Mehrheit der Hörer unbekannt gewesen und z.T. auch geblieben. Der Autofahrer hätte sich diesen Kanal sicher mit den gängigsten Verkehrsfunksendern gewünscht. Die Verkehrsfunkdurchsagen dann noch gesteuert für das Gebiet, durch das man gerade fährt = Radio, wovon der Verkehrsteilnehmer träumen kann. Von der Ost- bis zum Bodensee mit Bayern 3 oder NDR 1 Radio MV ohne das Radio anfassen zu müssen – das wäre ein Werbeversprechen, was viele über die schon mal für 2015 angedachte Abschaltung der UKW-Sender hinweggetröstet hätte.

So geht der deutsche DAB- Äquator ohne Kanal 5c seit 2015 nach den anerkennenswerten Aktivitäten beim Senderausbau und Gleichkanalisierung des mdr immer noch durch das mittlere Franken. Vorher musste man diese Linie fast auf der Höhe Regensburg ziehen.

Nördlich des mdr-Sendegebietes (mit Ausnahme des Großraums um Berlin) sollte man immer noch auf DAB im Auto verzichten. Der NDR ist bezüglich DAB nicht „Das Beste am Norden“. Zum Beispiel ist Kanal 5c aus Rostock auf Falster (65 km Luftlinie über Wasser)
nicht einmal nachzuweisen.

Auch beim rbb ist noch viel Luft nach oben.

Die Praxis zeigt: Mit etwa 10% der Strahlungsleistung (ERP) eines UKW-Senders kann ein DAB-Sender 15 Programme im gleichen Funkverkehrsbereich verteilen, ab 25 % ERP kommt – bedingt durch die höhere Sendefrequenz - Sicherheit in schwierigen geografischen Lagen hinzu. Das bedeutet, dass sehr hohe Energieeinsparungen auf der Senderseite zu erwarten sind. Dadurch würde sich die Neuanschaffung von DAB-Sendern und Antennen in wenigen Monaten amortisieren.

DAB-Empfangstechnik ist längst in allen Qualitätsstufen auf dem Markt, teilweise auch für kleines Geld. Mit wenigen Handgriffen wird damit jede HiFi-Anlage weiter verwendbar gemacht. Mit einem (!) kleinen Zusatzgerät bringt jedes Bad- und Küchenradio im Haushalt weiter den Lieblingssender. Nur wenn die Meinungen darüber im Haushalt auseinander gehen, müssen mehrere kleine Zusatzgeräte angeschafft werden.

Zum Schluss noch ein Wort zum Plus – hinter DAB. Im Moment gibt es da nur bunte Bildchen der Moderatoren, der Senderlogos, der Plattenhülle als sogenannte Slideshow. Eine Zeit lang gab´s unter Journaline bei mehreren Programmen gut abgehangene Zeitungsartikel, vornehmlich aus Österreich. Ich kann mir nicht vorstellen, wer das braucht, habe aber das Horrorbild eines LKW-Unfalls vor mir, weil der Fahrer versuchte, die kleine Schrift auf einem kleinen Display während der Fahrt zu lesen.

Was zuletzt stirbt, ist immer die Hoffnung. Auf´s Erkennen der Möglichkeiten von DAB durch alle, die für sinnvollen Einsatz von Gebühren Verantwortung tragen, die enormen Einsparungen von Energie, die möglich sind, und beste Ausnutzung der Ressourcen.

In der Zeitschrift „Funkamateur“ Heft 4/2017 erscheint der etwas modifizierte Beitrag auch mit vorhandenen Auslandserfahrungen.
Jürgen Wiethoff
Autor: red

Kommentare

Bisher gibt es keine Kommentare.

Kommentare sind zu diesem Artikel nicht möglich.
Es gibt kein Recht auf Veröffentlichung.
Beachten Sie, dass die Redaktion unpassende, inhaltlose oder beleidigende Kommentare entfernen kann und wird.
Anzeige symplr
Anzeige symplr